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Ling Ma: New York Ghost

Foto: Petra Breunig

Foto: Petra Breunig

Nein, es ist kein Roman über die Corona-Pandemie. Denn „New York Ghost“ ist im Original bereits 2018 erschienen. Doch die Parallelen sind frappierend.
Das Sheng-Fieber ist eine unheilbare Pilzinfektion, die ganz harmlos wie eine normale Erkältung beginnt. Doch nach und nach verändern sich die Infizierten, sie leiden an mangelnder Ernährung, können sich nur noch schwer bewegen und sterben an Bewusstseinsverlust. Unter diesem Eindruck arbeitet Candace Chen in New York in einem Verlag, der Bibeln in immer wieder neuen Ausstattungen herausbringt. Candace ist unter anderem dafür zuständig, dass die Hersteller in China möglichst billig produzieren. Als klar wird, dass die Krankheit nicht zu stoppen ist, kippt die Wie-leben-junge-Erwachsene-in-New-York-Erzählung in eine Dystopie, in der es nur noch um Überleben geht. Und um die Frage, wem man noch vertrauen kann.

„Ein paar Männer von der Pilzbekämpfung kamen vorbei und versprühten irgendetwas im Büro.“

Ling Ma legt mit „New York Ghost“ einen Roman vor, der spätestens mit dem Erscheinen dieser Taschenbuchausgabe von der Wirklichkeit überholt scheint. Zu vieles – Masken tragen, desinfizieren, Abstand halten, auf Symptome achten – kommen uns im dritten Jahr der Corona-Pandemie erschütternd vertraut vor. Vertraut ist auch die düstere Zukunftsvision, die nicht nur den Kapitalismus kritisiert, in dem der erfolgreich ist, der bei Konsumenten mit dem immer Gleichen in immer neuen Verpackungen den Kauftrieb auslöst. Diese Vision zeigt eine Apokalypse, in der die Sorge um die nicht funktionierende Internetverbindung und Candaces kaputtes iPhone vom Kampf ums Überleben in einer Welt abgelöst worden sind, in der die Seuche Menschen in Zombies verwandelt hat, die in einer Dauerschleife immer wieder die gleichen Tätigkeiten verrichten.
„New York Ghost“ ist trotz einiger abgedroschener sprachlicher Wendungen ein gelungenes Debüt.

Ling Ma: New York Ghost. Unionsverlag, 15 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.

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