Es ist das „Zentrum der Welt“, „die großartige Stadt London“ ist Ziel all ihrer Sehnsüchte. In den 60er Jahren des vorherigen Jahrhunderts kamen zehntausende Zuwanderer aus den westindischen Inseln in die britische Hauptstadt, um sich hier eine neue Existenz aufzubauen, so wie die Landsleute vor ihnen, die von der Regierung 1948 als billige Arbeitskräfte ins Land geholt wurden. In London mussten sie sich nicht nur in einer neuen Umgebung zurechtfinden. Sie waren auch gezwungen, sich mit vorher vollkommen unbekannten Gegebenheiten auseinandersetzen. Statt im heißen Klima der Tropen mussten sie lernen, mit den Wetterkapriolen zu leben und sich gegen die winterliche Kälte zu schützen.
„Was hat eine Stadt, was hat irgendein Ort in der Welt, dass man ihn so sehr mag und nirgendwo anders hinwill?“
Moses ist einer dieser „Mokkas“, der vor ein paar Jahren nach London gekommen ist. Ihn lässt Samuel Selvon seinen Roman „Die Taugenichtse“ erzählen. Das tut er so, wie er seinen Freunden etwas erzählen würde, im gebrochenen Englisch der Einwanderer, manchmal auch über längere Absätze ohne jegliche Satzzeichen. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber nicht ohne Charme und auf jeden Fall viel direkter als wenn ein allwissender Autor gleichsam als Sprachfilter fungieren würde. Und so erreichen Sorgen und Frust der Einwanderer den Leser unmittelbar, das Unverständnis darüber, dass sie obwohl sie in den Fabriken schuften, von den Einheimischen nicht anerkannt werden: „In London akzeptiert uns keiner. Nicht richtig“, sagt Moses und ist froh, dass wenigstens die regelmäßigen Treffen der Einwanderer Gemeinschaft schaffen.
Die Originalausgabe ist schon 1956 erschienen. Angesichts der vielen Übersetzungen aus dem Englischen, die bei uns im Handel sind, ist es eigentlich unverständlich, weshalb die deutsche erst jetzt erschienen ist. Die wunderbare Ausgabe, die jetzt vorliegt, verdient ein breites Publikum.
Samuel Selvon: Die Taugenichtse, dtv, 14, 90 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.