Kaspar ist enttäuscht. Seine tote Frau Birgit hat Gedichte geschrieben und ihm nichts davon erzählt. Zu allem Überfluss findet der Buchhändler auch noch heraus, dass Birgit eine Tochter hat, die in einem Waisenhaus abgegeben wurde. Kaspar ist entschlossen, diese Frau, seine Stieftochter, zu finden.
Bernhard Schlinks neuer Roman „Die Enkelin“ hat eigentlich alles, was man von diesem Schriftsteller gewohnt ist: Figuren, über die man gerne mehr erfahren möchte, ein Ausflug in die deutsch-deutsche Vergangenheit und die deutsche Gegenwart und ein Erzähler, der all das meisterhaft verbinden kann. Doch das funktioniert nicht so richtig.
„Wenn Kaspar erzählte, wie er Birgit kennen und lieben lernte, war es Liebe auf den ersten Blick.“
Liegt es daran, dass die Geschichte um einen Buchhändler, der seltsam aus der Zeit gefallen zu sein scheint und seine Enkelin mit klassischer Musik und Gedichten für sich gewinnen will, keine Spannung entfaltet? Ist die Suche nach der Stieftochter, die Kaspar schließlich mitsamt deren Familie – und eben der titelgebenden Enkelin – in einer völkisch-nationalen Dorfgemeinschaft findet, zu konstruiert? Zusammen mit der gemeinsamen Vergangenheit von Birgit und Kaspar, die sich 1964 beim Deutschlandtreffen der Jugend in Ost-Berlin kennen und lieben gelernt haben und dem schließlich Birgits Flucht über Wien nach Berlin und dem gemeinsamen Leben des Paares folgt, hat der Roman Stoff und Erzählstränge für mehr als einen Band. Und das ist schlicht zu viel für „Die Enkelin“. Schade.
Bernhard Schlink: Die Enkelin, Diogenes, 25 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.