Ian McEwan ist nicht nur einer der besten zeitgenössischen Schriftsteller. Der Brite, der sich in seinen Werken häufig mit Naturwissenschaften beschäftigt, bezieht auch politisch Stellung – wie jüngst in „Die Kakerlake“ zum scheinbar unendlichen Brexit-Drama. Wenn sich ein Schriftsteller frage, was er in einer solchen Zeit machen könne, dann, so Ian McEwan, gebe es darauf nur eine Antwort: schreiben. Vielleicht ist es dieser Drang, sich schreibend Luft und gleichzeitig Gehör zu verschaffen, der dazu führt, dass auch seine älteren Werke immer so aktuell sind, als wären sie für die jeweilige Gegenwart geschrieben. Die Themen, um die es geht, sind die Themen, die im jüngsten Sammelband „Erkenntnis und Schönheit“ zusammengetragen sind.“
„Das Zeitalter des Wassermanns war angebrochen; nichts würde mehr so sein wie zuvor.“
Dank einer universellen Übereinkunft, so eine der Überlegungen, können wir uns grundsätzlich nicht nur in andere Menschen hineinversetzen. Wir können auch erfundene, literarische Charaktere verstehen, selbst wenn wir mit deren Eigenarten nichts gemeinsam haben. Das kontrastiert mit der Wissenschaft und deren Experten, von denen wir den ein oder anderen berühmten Namen kennen, aber die wenigstens wirklich etwas mit deren Forschungsgebiet anzufangen wissen. Handelt es sich aber um Wissenschaftler wie Charles Darwin, den Ian McEwan als „beschreibenden Wissenschaftler“ bezeichnet, der „überaus mitteilsam war, warmherzig, ehrlich, direkt“ gewesen sei, dann werden für den Laien auch komplizierte Gebiete plötzlich interessant und greifbar. (Ein Grund, weshalb wohl auch Naturdokumentationen von Experten moderiert werden, die uns die Welt erklären können.) Publikum und Verfasser teilen also wie in der Literatur ein gemeinsames, emotionales Terrain.
„Fast die gesamte Zeitspanne der Kultur kommt in Betracht, wenn wir fragen: Wer ist der Älteste, wer der moderne Ur-Mensch: die mitochondriale Eva oder Alan Turing?“
Die Aufsätze und Reden in „Erkenntnis und Schönheit“ erscheinen dem mit Ian McEwan vertrauten Leser wie ein Wiedersehen mit einem alten Freund und dessen Gedankenwelt. Wer noch nichts von dem mehrfach ausgezeichneten Schriftsteller gelesen hat, der findet seine Ideen und Themen wie in einer Nussschale. Weil die insgesamt fünf Texte jeweils für sich allein stehen, sind sie eine wunderbare anspruchsvolle Lektüre für zwischendurch.
Ian McEwan: Erkenntnis und Schönheit. Über Wissenschaft, Literatur und Religion. Diogenes, 20 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zu Verfügung gestellt.
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