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Alena Schröder: Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid

Foto: Petra Breunig

Evelyn ist fast hundert und des Lebens überdrüssig. Wie sonst könnte man es erklären, dass sie bei den wöchentlichen Besuchen ihrer Enkelin Hannah missmutig Anweisungen erteilt und mit nichts zufrieden ist? Nicht damit, wie die 27-Jährige die Jalousien herunterlässt und dreht und auch nicht damit, dass ihre Enkelin regelmäßig den Pillen- und Mittelchen-Vorrat wieder auffüllt. Bestimmt hat sie wieder was vergessen. Für Hannah sind diese Besuche zum einen eine mehr oder weniger lästige Pflicht, für deren Erfüllung sie immer dienstags in den Westen Berlins fährt.

„Kind, es reicht, ich will nicht mehr. Ich weiß nicht, warum dieses Elend hier noch so lange dauert. Ich hab alle satt. Ich guck auch schon lange keine Nachrichten mehr. Nur Schrott.“

Zum anderen aber sind diese Termine auch eine willkommene Entschuldigung, die Bibliothek früher zu verlassen und ihre Dissertation liegen zu lassen. Nicht, dass sie mit der Arbeit daran wirklich voran kommt. Eher zufällig findet Hannah bei ihrer Großmutter einen Brief aus Israel, den Evelyn auf ihre Frage hin als „alter Kram“ abtut und sich zunächst erst einmal weigert, weiter darüber zu sprechen. Doch Hannahs Neugierde ist geweckt.

Junge Frau am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“ ist eine Familiengeschichte, die sich auf die Frauen konzentriert. Da ist natürlich Evelyn, Hannahs Großmutter, die gleichzeitig auch die einzig lebende Verwandte ist, die Hannah etwas über die Vergangenheit erzählen kann, denn Hannah selbst weiß nichts über ihre Familie; die Urgroßmutter hat sie nie kennengelernt und ihre eigene Mutter ist tot. Nach und nach werden durch Rückblenden, beginnend mit den 1920er Jahren, Zusammenhänge wie lose Fäden verknüpft und erklärt – und es wird auch klar, was der ungewöhnliche Titel des Buches bedeutet.

„Sie hätte ihn einfach wegwerfen sollen, diesen Brief, nun war es zu spät. Hannah würde ohnehin nicht lockerlassen, sollte sie sich doch kümmern um diesen ganzen alten Dreck.“

Alena Schröders Debütroman hat mich streckenweise an die Trilogie von Astrid Ruppert erinnert. Hier wie dort stehen Frauen im Mittelpunkt der Erzählung, die natürlich nicht ohne Bezüge zur deutschen Geschichte auskommt. All das verpackt die freie Journalistin so, dass man gerne dran bleibt und unbedingt mehr wissen will.

Die Vorgeschichte zum Buch gibt es demnächst unter dem Titel „Bei euch ist es immer so unheimlich still“ ebenfalls im dtv.

Alena Schröder: Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid, dtv, 11,95 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.

 

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