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Urs Widmer: Wild Herbeigesehntes

Foto: Petra Breunig

„Der Vater ist jetzt im Bücherzimmer. Er blättert in einem Buch.“ Solche Banalitäten sind es, aus denen Urs Widmers frühe Erzählungen bestehen und die der Diogenes-Verlag anlässlich des zehnten Todestag des Schriftstellers versammelt hat. Banalitäten, die unzusammenhängend gleichsam aus der Gedankenwelt des 2014 verstorbenen Schweizer Autors zu stammen scheinen und die, einem Bewusstseinsstrom gleich, sich über Seiten oft in endlosen, absatzlosen Abschnitten ergießen.

„Sä, sagt Alois. Er legt mir ein Papier hin, ich sehe es mir an. Miriam stellt die Schachfiguren neu auf.“

Die insgesamt 14 Erzählungen von „Die Normale und die Sehnsucht“ und „Alois“ über „Die Amsel im Garten und „Der letzte Ball des jungen Grafen“ bis hin zu „Die schreckliche Verwirrung des Guiseppe Verdi“ und „Liebesnacht“ führen uns in die Gedankenwelt eines Schriftstellers ein, der mithilfe von „Zuspitzung und Übertreibung“ aufzeigte, „was ihm nahe ging“ wie es in einem kurzen Abschnitt gleich zu Beginn des Bandes heißt. Kein Wunder also, dass sie die Leserin ratlos und nicht selten provoziert zurücklassen und sich die Frage aufdrängt, ob man den Erzählungen nur wegen des prominenten Autors Zeit und Aufmerksamkeit schenken sollte.

„Ich und Käte gehen hinter den Kühen daher, wir klatschen ihnen die Holzstecken auf den Hintern, wir treiben sie in den Stall.“

Wer das Werk von Urs Widmer liebt, wird mit diesem Band seine Sammlung sicherlich vervollständigen wollen. Wer Urs Widmer entdecken will, sollte sich eine andere Erstlektüre suchen.

Urs Widmer: Wild Herbeigesehntes, Diogenes, 26 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.

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