Hermann Hesse ist einer der Schriftsteller, die ich vor vielen Jahr sehr geliebt habe. Allerdings konnte ich mich so gut wie gar nicht mehr an die Handlung von „Narziss und Goldmund“ erinnern, als ich das Buch zur Vorbereitung auf den Film wieder las. Ich war mir aber sicher, dass eine Verfilmung wenn nicht unmöglich, so doch sehr schwierig sein würde. Die Schließung der Kinos im März diesen Jahres ließ den Film des Regisseurs Stefan Ruzowitzky, der auch das Drehbuch schrieb, zwar nicht in Vergessenheit, so doch aus meiner Reichweite geraten und ich war freudig überrascht, als Google mich daran erinnerte, dass der Film ausleihbar sei.
„Was ist denn passiert?“ – „Mehr als in ein Leben passt.“
Um es vorweg zu sagen: „Narziss und Goldmund“ ist verfilmbar – noch dazu sehr beeindruckend und überraschend modern. Was nicht bedeutet, dass man die Geschichte um eine Freundschaft zwischen dem zutiefst gläubigen Jungen Narziss, der seine Bestimmung zum Mönch und späteren Abt nie in Zweifel zieht und Goldmund, dem verstoßenen Kind einer Hure, das von seinem Vater im Kloster abgegeben wird, weil er ihn nicht mehr sehen kann, gleich einer modernen Theateradaption eines Klassikers in die heutige Zeit verpflanzt hätte.
Ganz im Gegenteil fühlt man sich als Zuschauer ins Mittelalter versetzt – oder zumindest in das Mittelalter, das man sich als einigermaßen erfahrener Kinogänger und Filmfan so vorstellt und das sich Hermann Hesse vielleicht auch so oder so ähnlich vorgestellt hat. Das Kloster und das Klosterleben (inklusive der nackten Füße in Sandalen, Gregorianische Choräle am frühen Morgen und ein gemeinsamer Schlafsaal für die Klosterschüler) sind da ebenso stimmig wie das Leben der Bauern, der Städter und der Handwerker, die sich alle in einer Kulisse bewegen, die mit viel Liebe zum Detail gemacht ist.
„Narziss, dies ist Deine Bestimmung.“
Und dann sind da natürlich die beiden Hauptfiguren. Jannis Niewöhner gibt seinem Goldmund die Lebensfreude, die Leidenschaft und die ständige Suche nach einem „Mehr“, von dem er erst allmählich herausfindet, was dieses „Mehr“ tatsächlich ist. Diese lebenslange Suche wirkt in sich stimmig und die schauspielerische Leistung überzeugend auf eine handfeste, direkte Art, die in Narziss seinen Gegenpol findet. Sabin Tambrea verkörpert ihn mit einer Innigkeit, die der Frömmigkeit des Mönchs genauso gerecht wird wie seiner Zuneigung, mit der er an Narziss hängt und von der er genau weiß, dass sie viel mehr als Freundschaft ist.
„Narziss und Goldmund“ ist eine Literaturverfilmung, die sich klug an der Vorlage bedient und sich ihre Freiheiten nimmt, so dass ein eigenständiger Film entsteht, an den man sich gern erinnert.
Narziss und Goldmund, 118 Minuten, FSK: 12 ⭐⭐⭐⭐⭐
Das Buch, auf dem der Film beruht, ist bei Suhrkamp erschienen.
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