Brustkrebs ist ein furchtbares Urteil für Frauen und die Behandlung – auch wenn sie erfolgreich verläuft – anstrengend, langwierig, entwürdigend. Kein Wunder also, dass sich betroffene Frauen zusammentun, sich gegenseitig Trost spenden und unterstützen. Jeanne, die Pariser Buchhändlerin, erkennt nach ihrer Diagnose, dass sie von ihrem Mann Matt keinerlei Unterstützung erhalten wird. Er wird sie weder zu den stundenlange Therapiesitzungen begleiten, noch sie tröstend in den Arm nehmen.
Für Trost und Zuspruch werden bald neue Freundinnen sorgen. Die erste, Brigitte, trifft Jeanne im Wartezimmer und kommt mit ihr ins erste, zögerliche Gespräch. Dann kommen Assia und Mélody dazu und Jeanne merkt bald, dass die Unterstützung dieser Frauen, deren Leben so anders ist als ihr eigenes, für sie viel wichtiger werden wird, als sie dachte.
„Da ist etwas.“
Sorj Chalandon legt mit „Wilde Freude“ einen Roman vor, der meilenweit entfernt ist von jener Betroffenheitslektüre, die nichts anderes tut als auf die Tränendrüse zu drücken. Die Figuren, allen voran die Ich-Erzählerin Jeanne, sind allesamt Frauen, die in ihrem Leben mit einigen Schicksalsschlägen fertig geworden sind und sich dennoch nicht haben unterkriegen lassen. Sie alle haben sich ihre Würde bewahrt, obwohl sie sich häufig vor Ärzten und ihren Teams ausziehen müssen, obwohl sie ihre Haare verloren haben, obwohl sie Schmerzen haben und Angst vor dem Tod. Dass die Handlung eine unerwartete Wendung und ein nicht weniger überraschendes Ende nimmt, unterstreicht die Meisterschaft des Autors.
„Ich begegnete Blicken. Die sich senkten. Und anderen, die meine Stirn wieder aufrichteten.“
Wenn es stimmt, dass ein Roman nur dann gut ist, wenn er spannend ist und die Aufmerksamkeit des Lesers vom ersten Satz an gewinnt, dann ist „Wilde Freude“ ein einziger, wunderbarer Sog, den man sich nicht entziehen kann.
Sorj Chalandon: Wilde Freude, dtv, 22 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.