Statt eines neuen Falls für den venezianischen Commissario Guido Brunetti, mit dem Fans bisher zuverlässig jeden Sommer rechnen konnten, gewährt Donna Leon einen Blick „Backstage“ . Eine Sammlung von Anekdoten, Erzählungen und Erinnerungen der Schriftstellerin, die der Diogenes-Verlag in keiner erkennbaren Reihenfolge oder Ordnung präsentiert.
„Mit den Jahren kommt die Erfahrung, und plötzlich begegnet man solch sonderbaren Käuzen überall.“
Vielmehr scheint es so, als würde man Einblicke erhalten in Aufzeichnungen der Autorin, die viele Jahre lang in Venedig gelebt und gearbeitet hat, so wie sie entstanden sind: Handschriftlich in einem Notizbuch nach und nach eingetragen, vielleicht über Jahre hinweg.
Und so geht es – natürlich – um Krimis wie Patricia Highsmiths Tom Ripley, um Charles Dickens‚ bizarre Figuren oder um Donna Leons Zeit in Isfahan.
„Patricia Highsmiths Tom Ripley ist (…) ein Mann, mit dem man gerne etwas trinken gehen würde.“
Doch auch in persönlichen Episoden wie dieser oder in der Schilderung, wie sie sich über den lauten Fernseher einer Nachbarin ärgert, bleibt Donna Leon unnahbar, hält ihre Leserschaft auf Distanz. Wer gehofft hat, Backstage in ihre Schreibwerkstatt mitgenommen zu werden und ihr beim Schreiben über die Schulter schauen zu dürfen, wird enttäuscht. Nur, dass sie eine Eröffnungsszene braucht, einen Anlass, verrät sie und dass Gespräche ihrer Meinung nach so gestaltet werden müssen, dass „sie eine Information transportieren oder etwas an den Tag bringen“. Natürlich darf Brunetti nicht fehlen; nicht nur als Beispiel für einen Anfang. Ihm schreibt seine Schöpferin einen Liebesbrief und hofft, dass „unser Bund“ ein „Leben lang hält“.
„Wenn ich eine vertraute Figur sterben lasse, dann empfindet der Leser Trauer über den Verlust und will, dass der Täter zur Rechenschaft gezogen wird.“
„Backstage“ ist wie „Ein Leben in Geschichten“ routiniert, einfühlsam und mit dem ein oder anderen Augenzwinkern geschrieben, so dass sich die einzelnen nicht zu langen Kapitel schnell weglesen lassen. Freilich sind sie kein Ersatz für einen Brunetti-Fall, aber vielleicht von Diogenes genauso gedacht. Einen neuen Fall gibt es hoffentlich im nächsten Jahr wieder, dann den 34. Es sei denn, Donna Leon wäre als Mitproduzentin bei Dreharbeiten für eine neue Brunetti-Verfilmung zu beschäftigt.
Donna Leon: Backstage, Diogenes, 25 Euro. Aus dem Englischen von Werner Schmitz, Christa E. Seibicke, u.a.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.