Übersetzungen spiegeln wie das Original auch, die Zeit wider, in der sie entstanden sind und zum Glück immer noch entstehen (welch Segen, Bücher auf Deutsch lesen zu können, wenn man der Originalsprache nicht mächtig ist). Und so ist das beste, was einem Buch und dessen Autoren passieren kann, ein Übersetzer, der sein Handwerk versteht, der die Geschichte erzählt und es dem Leser im besten Fall nicht merken lässt, dass er eine Übersetzung liest. Im Falle der Sherlock-Holmes-Geschichten muss man wissen, dass der Stil von Arthur Conan Doyle ein ganz eigener ist. Wer Thriller mag, die einen atemlos werden lassen, wird enttäuscht werden, denn so umsichtig und analytisch wie der große Detektiv zu Werke geht, so schreibt sein Erfinder – fast möchte man sagen behäbig.
Schwierige Gratwanderung
Bei der jetzt vorliegenden Übersetzung von „Eine Studie in Scharlachrot“, die im Fischertaschenbuchverlag erschienen ist, merkt man wie Henning Ahrens genau diese Gratwanderung in seiner Arbeit absolviert. Vergleicht man sie mit der Ausgabe, die 2007 im Insel-Taschenbuchverlag erschienen ist und mit einer Originalausgabe werden die Unterschiede und leider auch Defizite deutlich. Denn im Versuch, Doyles Sprache zu modernisieren, wird sie zuweilen unkenntlich und falsch übersetzt. „Eine Studie in Scharlachrot“ ist die erste Geschichte, in der Sherlock Holmes auftritt. Sie legt deshalb die Grundlage für weitere Romane und Erzählungen und führt natürlich den Leser an den großen Detektiv heran und natürlich auch an Doktor John Watson, der als Versehrter aus dem afghanischen Krieg zurückkommt und auf der Suche nach einem Mitbewohner für eine Wohnung in London ist. „The campaign brought honours and promotion to many, but for me it had nothing but misfortune and disaster.“ heißt es im Original. „Während des Feldzugs ernteten viele Ehren und Beförderungen, aber für mich hielt er nur Unglück und Elend bereit.“ übersetzt Henning Ahrens. „Vielen brachte der Feldzug Auszeichnungen und Beförderung, für mich barg er jedoch nichts als Mißgeschick (!)“ heißt es in der Insel-Übersetzung von Gisbert Haefs.
Während diese Beschreibung noch eng am Original ist, gibt es eine Reihe von Ungenauigkeiten und Fehlern, jedenfalls für mein Verständnis. Holmes und Watson treffen sich nämlich nicht „wie verabredet“ (Fischer) , um die Wohnung zu besichtigen, sondern weil es Holmes „festgesetzt“ (Insel), „arranged“ hat. Das mögen ebenso Kleinigkeiten sein wie die nächsten Gegenüberstellungen. Sie zeigen aber gerade in diesen Nuancen, dass Sherlock Holmes derjenige ist, der die Geschicke lenkt – und seine Gewohnheiten hat: „Er ging gegen zweiundzwanzig Uhr zu Bett“ (Fischer) – „Selten war er nach zehn Uhr abends noch auf“(Insel) – „It was rare for him to be up after ten at night“. Diese Nuancen sind es auch, die den Geschichten ihren unverwechselbaren Charakter geben, den sie auch aus ihrer Entstehungszeit beziehen. Daher scheinen unsere umgangssprachlichen Begriffe wie „weitergelatscht“ (für „strolling down“), „Der Roman ist ein echtes Brechmittel“ „hat mich wirklich krank gemacht“ (für „made me positively ill“) schlichtweg fehl am Platz. Leider gibt es auch Fehler in der Übersetzung: „An airy room“ ist ein „luftiger Raum“ (Insel) und nicht „gut zu lüftend“ (mal abgesehen davon, dass sich Watson und Holmes darüber wohl kaum Gedanken machen dürften) und ein „German name“ ist ein „deutscher Name“ (Insel) und nicht nur „deutsch klingend“.
Ist die Neuübersetzung nun schlecht? Sicher nicht – nur anders und man hat nun einmal mehr die Wahl, für welche Übersetzung man sich entscheidet.
Arthur Conan Doyle: Sherlock Holmes; Eine Studie in Scharlachrot, Fischer Taschenbuch, 10 Euro, neu übersetzt von Henning Ahrens.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Fischer-Verlag zur Verfügung gestellt.