Geschichte kann spannend sein wie ein Krimi oder eine der Serien, die man auf Netflix immer weiterschaut, weil man wissen will wie sie endet. Doch Geschichte besteht auch aus Quellen, die gesichtet und verstanden, Literatur, die gelesen werden will. Und dann braucht man noch einen Autor, der das eine mit dem anderen verbinden und das Ganze aufschreiben, ja erzählen kann.
Der mehrfach ausgezeichnete britische Schriftsteller, Journalist und Moderator Dan Jones macht in „Spiel der Könige“ genau das, was man sich von so manchem Geschichtslehrer gewünscht hätte. Er lässt mittelalterliche Geschichte lebendig werden – in diesem Fall die Geschichte des Hauses Plantagenet, des englischen Königsgeschlechts, das 300 Jahre lang nicht nur England, sondern auch Teile von Frankreich regierte.
Mögen die Plantagenets als grausame Herrscher gelten, die zeitgenössische Chronisten mit dem Teufel verglichen, so sorgten sie sich dennoch um die Armen wie etwa Johann ohne Land, der fasziniert war vom Justiz- und Regierungsapparat und sich auch persönlich einschaltete. So wies er die Klage gegen einen geistig behinderten Mann ab, der ein Verbrechen gestand, obwohl er es nicht begangen hatte und begnadigte einen kleinen Jungen, der einen Freund so unglücklich mit einem Stein getroffen hatte, dass dieser starb.
Schon vorher hatte Heinrich II. einen Rat aus fünf Mitgliedern ernannt, die nicht wie bisher üblich im Land herumreisten und Recht sprachen, sondern in Westminster blieben und sich ständig mit Rechtsfragen befassen sollten – die Grundlage für das englische Oberste Gericht. Nicht zuletzt wurde die Magna Carta, die Vereinbarung zwischen König und Adligen aus dem Jahr 1215 immer wieder neu aufgelegt und zur Grundlage von verfassungsrechtlichen Diskussionen, bis heute sind einige ihrer Teile gültig.
„Doch unter den Plantagenets waren diejenigen besonders erfolgreich gewesen, die zwanglos mit ihren Untertanen verkehrt hatten, anstatt sich völlig von ihnen abzuheben.“
Die Jahre 1254 bis 1400 markieren für Dan Jones eine Zeit, in der die Krone relativ reibungslos von einer Generation an die nächste weitergegeben wurde, ohne dass es zu Streit um die legitime Erbfolge gekommen ist. Und: nach dem Tod Richard II. zerfielen die Plantagenets in die beiden Seitenlinien jüngerer Söhne bis sie mit dem Tod Richard III. endgültig endete. Der Hinweis Dan Jones‘, dass das Buch auch deshalb zu diesem Zeitpunkt endet, weil es ansonsten zu dick gewesen wäre, um es bequem im Bett lesen zu können, kann angesichts des mit Karten, Stammbäumen, Personenregister und einer Liste weiterführender Literatur 686 Seiten dicken Bandes nicht ernsthaft als Argument gelten.
Trotz des Umfangs (oder gerade deshalb?) ist der Rundgang durch 300 Jahre englisches Mittelalter das beste Beispiel dafür, dass man Geschichte so erzählen kann, dass sie spannend und auch dank der wunderbaren Übersetzung von Heike Schlatterer sehr gut lesbar ist. Was bleibt, ist die Erkenntnis, das dem Leser beim Vergleich mit aktuellen Ereignissen so manches bekannt vorkommt.
Dan Jones: Spiel der Könige. Das Haus Plantagenet und der lange Kampf um Englands Thron. C.H. Beck, 29,95 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.