Das Problem mit Buchverfilmungen ist, dass sie immer mit der Vorlagen verglichen werden und unweigerlich die Diskussion geführt wird, ob Buch oder Film/Serie besser sind. Dabei wird oft außer Acht gelassen, dass eine Verfilmung ein völlig eigenständiges Werk ist, das frei mit der Vorlage umgeht, Szenen umschreibt oder weglässt. Und es steht jedem zu, das Ergebnis zu mögen oder nicht.
„Ich interessiere mich vor allem für Schach.“
Im Fall von „Das Damengambit“ hat es Walter Tevis‘ Werk schwer, denn der 1983 im englischen Original und jetzt neu auf Deutsch erschienene Roman muss es mit der gleichnamigen Serie aufnehmen, die im vergangenen Herbst bei Netflix erschienen ist. Schwer deshalb, weil Schach sich für Unkundige nicht so leicht durch Buchstaben-Zahlen-Kombinationen erschließt, mit denen Beth so selbstverständlich hantiert. Beth Harmon, die Waise, die vom Hausmeister das Schachspielen lernt und davon so fasziniert ist, dass es für sie nicht nur zum Lebensinhalt, sondern auch zu einem lukrativen Beruf wird, ist aber auch süchtig. Nicht nur nach Schach, sondern nach Alkohol und Tabletten.
Diese ganz eigene Welt, in der Beth sich einrichtet, die sie vielmehr für sich selber erschafft, entlehnt die siebenteilige Serie sehr detailverliebt dem Roman.
„Beth versuchte sich ihre Verblüffung nicht anmerken zu lassen. Mrs Wheatleys Unredlichkeit konnte es in jeder Hinsicht mit der ihren aufnehmen.“
Wer die Serie noch nicht gesehen hat und zuerst den Roman liest, dem mag es ähnlich gehen wie mir mit der BBC-Verfilmung der Cormoran-Strike-Romane: ich hatte das Gefühl, Figuren und Umgebung seien geradewegs aus meinem Bücherregal in den Fernseher gewandert und dort auf wundersame Weise zum Leben erweckt worden.
Beim Lesen von „Damengambit“ hatte ich immer wieder Szenen aus der Serie vor Augen, was insofern schade ist, weil meine Vorstellungskraft es für überflüssig hielt, eigene Bilder zu erschaffen.
Dennoch: Wer sich in „Das Damengambit“ verliebt hat, wird (wie bei so manchen Literaturverfilmungen) den zugehörigen Roman zu schätzen wissen.
Walter Tevis: Das Damengambit. Diogenes, 24 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.