Genau das habe ich mir auch schon öfter gedacht, wenn ich in Museen vor den Porträts von Frauen stehe: „Basta! Es wurde genug geschaut!“ Schließlich will sich frau ja nicht ständig und länger von Fremden anstarren lassen. Doch es sind nur Gegenstände. Kunstwerke zwar, aber dennoch. Oder schaut die „Dame mit Hermelin“ nicht vorwurfsvoll? Und das „Mädchen mit dem Perlenohrring“ abschätzig?
„Für die Kunstgeschichte bin ich sowieso bloß eine Nebenfigur oder gelte nur als eine Charakterstudie, ein erfundenes Gesicht.“
Wem solche oder ähnliche Gedanken beim Betrachten von berühmten Frauenporträts durch den Kopf gehen, der wird bestätigend nicken, grinsen oder sich ertappt fühlen, wenn er Martina Clavadetschers neuen Roman „Vor aller Augen“ liest.
Denn die 19 Frauen, die die Autorin beschreibt sind nur bekannt, weil sie auf Leinwand gebannt und so in genau dieser Pose für die Ewigkeit festgehalten wurden. Aber was wissen die Betrachter wirklich über sie?
Genau dieser Frage geht Martina Clavadetscher nach, indem sie die Frauen erzählen lässt – und zwar so, dass gut lesbare und sehr interessante Kapitel entstehen, die allesamt lesenswert sind. Und einen anderen Blick werfen auf eben diese Gemälde.
Martina Clavadetscher: Vor aller Augen, Unionsverlag, 24 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zu Verfügung gestellt.