Sperling ist ein Waisenjunge, der in einem Bordell aufwächst. Sein Leben ist geprägt von Angst, Gewalt, Armut und Zwang im Römischen Reich, das seinen Zenit längst überschritten hat. Wir begegnen ihm zuerst in der Küche, wo er in sicherem Abstand beobachtet, wie die Sklavin Focaria Fische ausnimmt.
„Die Welt teilt sich ein in freie Menschen, die einen Namen haben, und Sklaven, die keinen haben, weil sie Dinge und keine Menschen sind.“
Doch die Küche ist noch ein sicherer Ort verglichen mit dem Bordell, in dem die Wölfinnen, die Prostituierten, leben und die Focaria mit Essen und Trinken versorgen muss. Sie und Euterpe, eine Wölfin, werden zu Sperlings wichtigsten Bezugspersonen, zu seinen Müttern, die sie ja eigentlich nicht sind.
Um seinem Leben und auch der Gewalt und Erniedrigung, die er selbst erfährt, zu entfliehen, gibt sich der Junge selbst den Namen Sperling, weil er wie der Vogel eine Außenperspektive einnimmt, um seine Situation ertragen zu können.
„Gähnend, blinzelnd und verkatert kamen die Wölfinnen jeden Morgen in den Garten, um ihr Frühstück aus Resten vom Vorabend zu essen.“
James Hynes legt mit „Ich, Sperling“ einen historischen Roman vor, der das Leben des Jungen im spanischen Carthago Nova im 4. Jahrhundert äußert detailliert schildert. Das ist einerseits faszinierend, weil vor dem lesenden Auge eine ganz eigene Welt lebendig wird. Andererseits aber führt das auch zu einigen Längen, so dass die Handlung erst nach etlichen Seiten Fahrt aufnimmt. Wer sich davon und von den Gewaltszenen nicht schrecken lässt, den wird das Schicksal Sperlings berühren.
James Hynes: Ich, Sperling, dtv, 28 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.