Albert von Schrenck-Notzing war Arzt, Forscher und Hypnotiseur. Angezogen von mysteriösen Phänomenen, schwebenden Tischen und Klopfgeräuschen will der Freiherrn nur eines: ihr Geheimnis erforschen. Ein Gebilde, das verschwindet, wenn es auf Licht trifft, hat es ihm besonders angetan. Dieses Ektoplasma wird wahlweise als Stoff aus dem Jenseits oder als Abspaltung des Unterbewussten eingeordnet. Oder ist es doch nichts weiter als eine raffinierte Betrügerei? Schrenck-Notzing lädt zu Séancen, von denen die Bohème Münchens des ausgehenden 19. Jahrhunderts fasziniert ist und dementsprechend in diese Sitzungen drängt. Zu diesem Publikum gehört auch Thomas Mann, der seine Erlebnisse im „Zauberberg“ verarbeiten und Albert von Schrenck-Notzing als Geisterbaron verewigen wird.
„Er will“, wusste Albert plötzlich, „dass ich ihm erlaube einzuschlafen.“ Und so tat er ihm den Gefallen.
Jan Schomburg erzählt Albert von Schrenck-Notzings Leben in „Die Möglichkeit eines Wunders“ nach. Ausgehend von der ersten Szene, in der wir Schrenck-Notzing in einem Münchner Gerichtssaal begegnen, folgt eine Séance der nächsten. Was zunächst dank Schomburgs Können als Drehbuchautor – unter anderem schrieb er das Drehbuch für den wunderbaren Film „Ich bin dein Mensch“ – dramatisch und gleichsam in schnellen Abfolgen spannend zu lesen ist, verliert leider nach und nach an Faszination, ohne dass man lesend erklären könnte, woran das liegt. Vielleicht sind die Figuren zu eindimensional, als dass man wirklich mit ihnen mitfühlen könnte?
„Und möchten Sie denn nicht“, fügte Rudolphe flüsternd hinzu, „in einer Welt leben, in der das Wunder wenigstens eine Möglichkeit ist?“
„Die Möglichkeit eines Wunders“ bietet aber einen Blick auf einen Menschen, der nur den wenigsten bekannt sein dürfte. Und wer weiß, vielleicht schreibt Jan Schomburg ja noch das Drehbuch für einen Film, der uns den Geisterbaron wirklich näher bringt.
Jan Schomburg: Die Möglichkeit eines Wunders, dtv, 24 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.
Weiterlesen:
Thomas Manns „Zauberberg“ ist bei Fischer erschienen.
Colm Tóibín hat mit „Der Zauberer“ einen lesenswerten Roman über Thomas Mann geschrieben.