Sylvain Prudhomme: Der Junge im Taxi

Es ist diese Stimmung, die sich nach der Rückkehr vom Grab bei der Verwandtschaft breitmacht. Eine Stimmung zwischen Erleichterung, dass alles vorbei ist und der Erleichterung, dass man selber noch am Leben ist. Eine Stimmung, in der der ein oder andere redselig wird.

„Ein Mann, der, das muss man sagen, in unser aller Augen in erster Linie dadurch gekennzeichnet war, Deutscher zu sein, ein echter Deutscher aus Deutschland, mit allem, was das an Exotischem hatte in unserer Familie.“

Der angeheiratete deutsche Onkel Franz erzählt Simon von einem geheimnisvollen M., einem deutschen Verwandten. Dieser Sohn, über den in der Familie nicht gesprochen wird, hat der soeben zu Grabe getragene Großvater gegen Ende des Zweiten Weltkriegs gezeugt, als er mit französischen Truppen am Bodensee im südwestlichen Deutschland stationiert war. M. habe sich später als 15-Jähriger mit einem Taxi zur Familienvilla fahren lassen. Doch die Großeltern wollten ihn nicht sehen.
Simon will mehr über M. und damit über seine eigene Familiengeschichte wissen und macht sich auf die Suche nach dem verlorenen Sohn.

„Gestern wusste ich noch nicht einmal, dass Malusci einen Sohn hatte, und jetzt hat dieser Sohn schon ein Gesicht.“

Sylvain Prudhomme legt mit „Der Junge im Taxi“ eine Familiengeschichte vor, die von Anfang an berührt. Dank des Wechsels zwischen Präsens, in dem sich Simon die Liebesgeschichte seines Großvaters mit einer Deutschen vorstellt, und Präteritum, in dem die Suche nach M. beschrieben wird, fällt der Wechsel zwischen den Zeitebenen nach einer anfänglichen Irritation – Simons Gedanken werden in einem Stream-of-Consciousness geschildert – leicht und es dauert nicht lang, bis man lesend mitfiebert und gleichsam M. selbst treffen will.
„Der Junge im Taxi“ ist eines dieser Bücher, die lange nachhallen und zeigen, dass der Zweite Weltkrieg nicht so weit zurückliegt, wie manche glauben.

Sylvain Prudhomme: Der Junge im Taxi. Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer, Unionsverlag, 22 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.

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