Der Zweite Weltkrieg ist auch bald 70 Jahre nach seinem Ende immer noch präsent, jedenfalls wenn man sich den Stoff ansieht, aus dem Filme und Bücher gemacht sind. Mit „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“ (115min, Verleih: Square One) kommt am 22. Januar ein weiterer Film, der in dieser Zeit spielt, ins deutsche Kino. Doch er ist nicht einfach ein weiterer Film, der in dieser Zeit spielt.
„The Imitation Game“ ist ein Film über den auch bei uns weitgehend unbekannten Helden Alan Turing. Der englische Mathematiker war zusammen mit seinen Kollegen maßgeblich daran beteiligt, den Zweiten Weltkrieg – wie Experten heute meinen – um bis zu vier Jahre zu verkürzen und Millionen Leben zu retten, indem er den deutschen Enigma-Code knackte. Doch der Film ist weit davon entfernt im Pathos zu ersticken, denn er ist auch eine Tragödie. Turing, den Zeitgenossen als liebenswerten, aber etwas merkwürdigen Menschen beschreiben, tat immer das, wovon er überzeugt war. Er lebte für die Mathematik, in der er als Genie galt, er war witzig und er war homosexuell zu einer Zeit, in der das verboten war und mit Gefängnis bestraft wurde.
„Sie brauchen mich viel mehr als ich Sie.“
Alan Turing in seinem Vorstellungsgespräch (meine Übersetzung)
Der Film von Regisseur Morton Tyldum hat alles, was ein guter Film braucht: er ist witzig, spannend, herzerwärmend und herzzerreißend. Und er ist zu allererst ein Film über Alan Turing (gespielt von Benedict Cumberbatch), der Großbritannien loyal diente, alle Geheimnisse über seine Arbeit in Bletchley Park wahrte und dafür nicht etwa mit allen Ehren bedacht wurde, die ein Land vergeben kann. Alan Turing wurde dafür bestraft, homosexuell zu sein und mit Östrogen behandelt, um ihn von der Homosexualität zu heilen. Außerdem hielt man ihn für unzuverlässig, Geheimnisse für sich behalten zu können und schloss ihn von seiner Arbeit als Kryptoanalytiker beim späteren britischen Geheimdienst aus.
Benedict Cumberbatchs beste Leistung
Benedict Cumberbatch gilt Kennern zurecht als einer der besten Schauspieler seiner Generation. In „The Imitation Game“ liefert er seine bisher beste schauspielerische Leistung auf der Kinoleinwand ab. Sein Alan ist verletzlich, arrogant, witzig, eigenbröterlisch und er tut und sagt immer genau das, was er in diesem Moment für richtig hält. Das wahre Können eines Schauspielers offenbart sich auch in dem, was er nicht sagt, dann nämlich, wenn ein Schauspieler mit einer einzigen Geste, einem einzigen Wimpernschlag einen ganzen Monolog erzählen kann. Das kann Benedict Cumberbatch den ganzen Film über, der in jedem Detail und mit jeder Rolle perfekt ist. Doch in der letzten Szene, die er zusammen mit Keira Knightley hat – sie spielt Joan Clarke, eine Kollegin und Freundin, die auch noch nach Alan Turings Tod sehr viel für ihn empfunden hat – zeigt sich Benedict Cumberbatchs wahre Meisterschaft. Und die des Films, der auch in herzzerreißenden Szenen niemals kitschig ist.
„The Imitation Game“ ist ein Film, den man gesehen haben muss. Er verdient jede Auszeichnung, für die er bereits jetzt gehandelt wird.
Update: [25.Januar 2015]
Gestern habe ich die deutsche Fassung gesehen. Und ich muss zugeben: Sie ist nicht so schlimm wie ich befürchtet habe. Erst vor ein paar Tagen habe ich den deutschen Trailer noch einmal gesehen und war der festen Überzeugung, dass die Synchronisation grottenschlecht ist. Vor allem beim Vorstellungsgespräch zwischen Alan Turing (Sprecher: Tommy Morgenstern) und Commander Denniston (Leon Richter) hatte ich den Eindruck, dass beide Synchronstimmen überhaupt nicht zu denen der Schauspieler passen und viel zu hoch rüberkommen. Ein Eindruck, der sich dann auch bestätigt hat. Dass Tommy Morgenstern, der auch Sherlocks deutsche Stimme ist, hier Benedict Cumberbatch seine Stimme leiht, hätte ich nicht gedacht. Sie klingt mir vergleichsweise viel zu hoch. Was aber sicher daran liegt, dass ich nicht nur an Benedicts tiefe Stimme gewöhnt bin, sondern auch daran, dass ich viel im englischen Original anschaue – dem Internet sei Dank. Daher wirken Synchronfassungen auf mich irgendwie flacher und zu sehr einem Hochdeutsch angepasst, dass im üblichen Sprachgebrauch so nicht verwendet wird. Das gilt auch für „The Imitation Game“.
Es ist sicher nicht leicht, eine Synchronisation zu machen: Vieles aus der Originalsprache ist schlichtweg nicht 1:1 ins Deutsche zu übersetzen, von der Koordination der Lippenbewegungen ganz zu schweigen. Weil nicht jeder einem Film auf Englisch (oder auch einer beliebigen anderen Sprache) folgen kann, ist sie dennoch hilfreich. Wer aber die Möglichkeit hat, die Originalfassung zu schauen, sollte das unbedingt tun. Auch wenn es vor allem für Ungeübte nicht leicht ist. Es lohnt sich!
Den englischen Trailer gibt es hier.
Hier gibt es den deutschen Trailer.
Grundlage für den Film ist das lesenswerte Buch von Andrew Hodges „Enigma“. Meinen englischen Buchtipp gibt es hier.
You can find the English version of this entry here.
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Ich fand den Film auch gut, aber der ganze Hype (was immer nervig ist!) nicht wirklich gerechtfertigt. Zum einen, weil der Film wirklich ein sehr konventionelles Biopic ist und versucht „das wichtigste“ im Leben Turings abzudecken. So etwas geht immer zu Lasten der dargestellten Person, weil es oberflächlich bleiben muss. Außerdem fand ich, dass einem die Person Turing nicht nahe gebracht wird. Die große Denkleistung wird nicht weiter erklärt (wird das dem Zuschauer nicht zugetraut zu verstehen? Mit recht so? Weiß nicht.), zum anderen die Privatperson noch weniger greifbar.
Es ist natürlich ein großes Verdienst, die Geschichte um/ von Alan Turing der breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen, deswegen ist es auch ein guter Film. Aber kein großartiger (Heldenverehrung finde ich sowieso meistens entsetzlich). Was mich auch ein wenig ärgert: Keira Knightley, die Joan Clarke in Interviews immer als Vorreiterin und starke Frau verkauft. Das war sie sicher, aber was war eigentlich ihre Aufgabe im Film? Bei den Jungs mitspielen darf sie nicht. Sie ist der reduzierte Love Interest, der zwar mit Alan über seine Arbeit plaudern darf, aber was ihr Zutun war – man weiß es nicht. Der Film macht einen da nicht schlauer. Starke Frauenrollen sehen echt anders aus.
Gut gespielt, kein Frage. Aber dennoch „nur“ ein guter Film.
Ich denke, es ist immer schwierig, einen Spielfilm über eine „echte“ Person zu drehen, egal ob sie noch lebt oder schon tot ist. Irgendetwas muss da wohl auf der Strecke bleiben, schließlich ist es keine Dokumentation.
Wenn ich die Intention, der Filmemacher richtig verstehe, dann wollten sie Alan Turing einer breiteren Öffentlichkeit näher bringen. Das ist ihnen zweifellos gelungen.
Joan Clarke war für ihre Zeit sicherlich eine ungewöhnliche Frau. Ich habe irgendwo ein Interview mit ihr gesehen, darin fand ich sie sehr beeindruckend. Ob Keira Knightley ihr allerdings gerecht wird, kann ich nicht beurteilen.
Was die schauspielerische Leistung von Benedict Cumberbatch betrifft bin ich nicht objektiv 🙂