Pride: Lesben, Schwule, Bergarbeiter

Beim Lesen von Thomas Reverdys „Ein englischer Winter“ musste ich unwillkürlich an „Pride“ denken. Ein Film, über den ich vor ein paar Jahre nur deswegen gestoßen bin, weil Andrew Scott mitspielt, der bei uns meist durch seine Rolle des Moriarty in der BBC-Serie „Sherlock“ bekannt wurde.

„Pride“ spielt in Großbritannien Mitte der 80er Jahre, also etwas später als „Ein englischer Winter“. Die Probleme sind ähnlich. Die Auseinandersetzung zwischen Premierministerin Margaret Thatcher  und den Bergarbeitern treibt 1984/85 auf einen Höhepunkt zu. Der Streik der Arbeiter, der ein Jahr dauern sollte, wurde zu einer Kraftprobe mit der Regierung.
Gleichzeitig will die Lesben- und Schwulen-Gemeinschaft in London die Diskriminierung nicht mehr länger hinnehmen. In den scheinbar so ganz anderen streikenden Kumpels entdecken sie Verbündete. Und diese Verbündeten, so erklärt es Mark Ashton (Ben Schnetzer) seinen Freunden im Buchladen „Gay’s The Word“, werden von der Regierung genauso diskriminiert wie sie selber. Die Sammelaktion wird zum Erfolg, die Aktivistengruppe „LGSM – Lesbians and Gays Support the Miners“ (Lesben und Schwule unterstützen Bergarbeiter)“ gegründet. Doch die Gewerkschaft will Geld von Homosexuellen nicht annehmen, weshalb die Gruppe beschließt, sich ein Dorf im tiefsten Wales auszusuchen und die Bergarbeiter dort direkt zu unterstützen – wohl ahnend, dass auf diese Weise Welten aufeinanderprallen werden.

Vorurteile werden lächerlich
Genau das, das gegenseitige Kennenlernen, das allmähliche Verstehen von Menschen aus vollkommen unterschiedlichen Welten,  könnte mit erhobenem Zeigefinger und dem Vorführen von Vorurteilen geschehen. Doch Drehbuchautor Stephen Beresford, Produzent David Livingstone (die für ihre Arbeit mit einem Bafta ausgezeichnet wurden) und Regisseur Matthew Warchus schaffen mit „Pride“ eine Tragikomödie, bei der der Zuschauer ständig zwischen Lachen und Weinen hin- und her gerissen ist und die mit witzigen Dialogen Vorurteile lächerlich macht. „Ihr seid meine ersten Schwulen“, sagt Dai (Paddy Considine) beim ersten Besuch und gibt gleich zu, dass er gemeint hatte, das L in LGSM stünde für London. „Und Du bist mein erster Bergarbeiter“, grinst Mark Ashton zurück und die peinliche Situation löst sich.

„Ihr seid alle Vegetarier?“

Beim Gegenbesuch in Wales wirken die Londoner Aktivisten zu bunt und zu laut für ein winterlich kaltes Dorf im Nirgendwo. Doch nach und nach setzt sich zumindest bei den meisten die Erkenntnis durch, dass auch Schwule und Lesben nicht nur ganz normale Menschen sind, sondern sich auch nicht ausschließlich vegetarisch ernähren. Beim ausgelassenen Tanz zu Musik der 80er, bei dem der  exzentrische Jonathan (umwerfend gespielt von Dominic West) voll in seinem Element ist, kommen sich die Gruppen näher. So nah, dass sich sein Partner Gethin (Andrew Scott) entschließt, seine Mutter nach etlichen Jahrzehnten wieder zu besuchen.

Nach wahren Begebenheiten
„Pride“ ist ein witzig-leichter und warmherziger Film, der nicht auf Tiefgang verzichtet. Weil er nach wahren Begebenheiten gedreht wurde und die tragenden Personen tatsächlich gelebt haben oder noch leben, erhält der Film einen dokumentarischen Charakter, der ihn wunderbar abrundet. Die DVD hat neben der englischen Tonspur, deutschen und englischen Untertiteln auch ein Feature, in dem Schauspieler und die Personen, die sie verkörpern, von ihrer Arbeit berichten.

Pride, 2014, GB, 120 min, DVD ca. 8 Euro
⭐⭐⭐⭐⭐⭐

 

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