Manchmal wirken historische Ereignisse so als seien sie erfunden. Diesen Eindruck hatte auch Michael Hugentobler, als er von Thomas Bridges und Ferdinand Hestermann erfuhr. Die British Library, dieses großes rote Gebäude unmittelbar neben dem internationalen Bahnhof St. Pancras an der geschäftigen Euston Road in London, erwies sich Jahre später nicht nur als riesiger Hort des Wissens – sondern auch als Faktenchecker. Hier fragte Hugentobler, wie er in den Anmerkungen zu „Feuerland“ schreibt, nach dem Wörterbuch in der Sprache der Yamana, bekam es zu seiner Überraschung auch vorgelegt und mit ihm gleichsam auch die Idee zu seinem jüngsten Roman.
„Sprachen seien wie Religionen, sie würden durch die Geschichte schweben wie Nebelfetzen, sie würden sich verflüchtigen und an ihre Stelle werde Neues treten.“
Thomas Bridges ist so fasziniert von der Sprache der Yamana, mit denen er an der Südspitze Südamerikas aufwächst, dass er ein Wörterbuch anlegt und es über Jahre hinweg immer weiter schreibt. Jahrzehnte später wird ihm diese Sammlung von Ferdinand Hestermann gestohlen. Der deutsche Völkerkundler erkennt den Wert des blau-rot marmorierten Buchs und die Gefahr, die von den Nationalsozialisten für das unersetzliche Werk ausgeht. Hestermann beschließt, das Buch zu retten.
„Beim Gedanken an den botanischen Garten in London kam ihm die Begegnung mit dem kleinen Mann unter der Schwarzkiefer nun äußerst sonderbar vor…“
Michael Hugentobler erzählt in seinem neuesten Roman eine Geschichte, die sich einem ungewöhnlichen Thema widmet. Schließlich dürften die wenigsten bisher von den Yamana gehört, geschweige denn sich mit ihrer Sprache oder der Entstehung von Wörterbüchern beschäftigt haben. Das Gleiche dürfte auch für Thomas Bridges und Ferdinand Hestermann zutreffen – und möglicherweise auch für den Autoren selber.
Wer sich für das Buch entscheidet, wird mit einer spannenden Geschichte belohnt, die wieder einmal beweist, dass Bücher Tore zu bisher unbekannten Welten öffnen.
Michael Hugentobler: Feuerland. dtv, 20 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.
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