Astrid Ruppert: Ein Ort, der sich Zuhause nennt

Dass sich das Leben von einer Minute auf die andere ändern kann, das hat Maya am Ende des vorherigen Romans “Wilde Jahre” erfahren. Ihre Großmutter Charlotte ist umgekippt und die Leser*innen blieben mit diesem Cliffhanger ein gutes Jahr lang im Ungewissen über das Schicksal der Winterfrauen. Nach einer kurzen Rückblende ins Jahr 1937, in dem wir Lotte an einer Buchhandlung wiedertreffen, nimmt Astrid Ruppert den Faden wieder genau da auf, um das lose Ende der Erzählung weiterzuspinnen.

“Etwas war passiert, was die verliebte junge Lotte von 1937 in die Frau verwandelt hatte, die 1949 in Lerchenrod eine Tochter zur Welt gebracht hatte.”

Die Handlung in “Ein Ort, der sich Zuhause nennt” wechselt zwischen den Jahren des Nationalsozialismus, den Nachkriegsjahren, dem Jahr 2007, ehe die Erzählung im Heute, dem Jahr 2021, ankommt. Das ist weniger kompliziert, als es sich hier liest, denn zum einen sind die unterschiedlichen Jahre mit Hilfe unterschiedlicher Schriftarten gekennzeichnet. Zum anderen aber ist es natürlich dem Können von Astrid Ruppert zu verdanken, dass man sich lesend nicht in den Zeitläuften verheddert. Denn diese können natürlich – wie könnte es in Deutschland anders sein – die Zeit des Dritten Reiches nicht einfach ignorieren. Und so sind alle Winterfrauen direkt oder indirekt von der Nazi-Diktatur betroffen, arrangieren sich mit den politischen Gegebenheiten oder versuchen zumindest im Kleinen ein Zeichen dagegen zu setzen.

“Ich will das alles wissen, aber ich habe furchtbare Angst.”

Allen Frauen der Familie Winter ist gemeinsam, dass sie im Grunde nicht einen Ort suchen, an dem sie sich zuhause fühlen können, sondern auf der Suche sind nach sich selbst. Diese Suche ist aber auch mit dem Eingeständnis verbunden, dass jede einzelne der Frauen, von Lisette bis hin zu Maya, das Erbe der vorherigen Generationen nicht ignorieren können.

Die Trilogie “Wilde Jahre“, “Leuchtende Tage” und “Ein Ort, der sich Zuhause nennt” ist ein wunderbares Lesevergnügen, das all das bietet, was die magische Kraft von Büchern ausmacht: Eintauchen in eine fiktive Welt, die so real ist, dass man sich am Ende jedes Bandes wundert, weshalb hier nicht ein Hinweis auf historische Personen und Ereignisse steht. Wer sich mal wieder so richtig in Büchern verlieren will, sollte mit dem ersten Band beginnen.

Hinweis: Ich habe bewusst sehr allgemein über die Figuren und die Handlung geschrieben, weil ich Spoiler vermeiden wollte. Wer die Winterfrauen kennenlernen will, sollte mit dem ersten Teil der Trilogie anfangen.

Astrid Ruppert: Ein Ort, der sich Zuhause nennt. dtv, 15 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.

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