Anthony Doerr: Wolkenkuckucksland

Ein sagenhaftes Reich über den Wolken ist die Verbindung zwischen einer Handvoll Geschichten. Im Jahr 2020 plant Seymour einen Anschlag in einer Bibliothek in Idaho. Anna stiehlt im Konstantinopel des 15. Jahrhunderts antike Texte aus einem Kloster, unter anderem den Kodex, der das Märchen von Aethon erzählt, der auf der Suche ist nach der Stadt über den Wolken. Zeno versucht den mittlerweile stark beschädigten Text zu übersetzen, den wiederum Konstance, die auf einem Raumschiff lebt, das zu fernen Planeten unterwegs ist, in der Bibliothek entdeckt. Und dann ist da noch Omeir, der mit einer Hasenscharte geboren wird und sich den Belagerern von Konstantinopel anschließen muss.
All dies erzählt Anthony Doerr nicht fortlaufend, sondern springt immer wieder zwischen den einzelnen Handlungssträngen hin und her – was zum einen natürlich die Spannung aufrechterhält. Zum anderen muss man aber dran bleiben, um sich nicht wie in einem Labyrinth zu verlaufen und den Erzählfaden zu verlieren.

„Man denkt immer, jenseits des Zaunes wächst die Gerste üppiger, aber sie steht dort kein Stück besser.“

Wolkenkuckucksland“ ist ein Epos, das nichts weniger will, als eine Hommage ans Lesen und an Bücher zu sein. Diesen Anspruch wird Anthony Doerr durchaus gerecht, wenn es auch vor allem im Mittelteil schwierig ist, in der Fülle der einzelnen Szenen den Überblick zu behalten. Ähnlich wie bei der xten Staffel einer geliebten Serie findet man die ein oder andere Figur auf Abwegen und fragt sich, weshalb jetzt diese Nebenhandlung weitererzählt wird, wenn man doch eigentlich eher am Ausgang der Geschichte interessiert ist.

„Die Eule sieht Seymour an. (…) Im Wirbel ihrer gebannten Aufmerksamkeit liegt ein Verständnis so alt wie die Zeit.“

Vielleicht ist es aber genau das, was das Bücherlesen ausmacht: das man sich lesend aus der Gegenwart entfernt, Raum und Zeit überwindet und sich auf eine Geschichte einlässt, ohne den Vorwärtsspulen-Knopf betätigen zu können.

Anthony Doerr: Wolkenkuckucksland, C.H.Beck, 25 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.

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