Tildas Tagesablauf muss einem Respekt abnötigen: sie studiert Mathematik, jobbt an der Supermarktkasse, schwimmt, kümmert sich um ihre kleine Schwester Ida und um ihre alkoholabhängige Mutter. Die drei wohnen im „traurigsten Haus in der Fröhlichstraße“ in einer Kleinstadt, aus der ihre Freunde längst in die weite Welt gezogen sind. Tilda ist geblieben, vor allem weil sie Ida nicht alleine lassen und ihr damit die Verantwortung für ihre Mutter aufbürden will.
„Sie war einkaufen. Ich wage es nicht diesem Frieden zu trauen, und Ida ist auch verhalten.“
Eine Verantwortung, die nicht nur darin besteht, sich selbst um den Haushalt zu kümmern und regelmäßig zu essen (nicht unbedingt in der Mikrowelle erhitzte Nutellabrote), sondern auch dafür zu sorgen, dass ihre Mutter im Notfall schnelle ärztliche Hilfe bekommt. All das spielt sich in einem Sommer ab, der regelmäßig dazu einlädt, Stunden im Schwimmbad zu verbringen – als Kontrast zum alles andere als perfekten Familienleben der beiden Mädchen.
„22 Bahnen“ ist ein Coming-of-Age-Roman, erzählt aus der Ich-Perspektive von Tilda, die – ganz Mathematikerin – ihre Umgebung und die Menschen darin genau analysiert und sie anhand der Dinge, die diese auf das Band an ihrer Supermarktkasse legen, einordnet. Sie beurteilt aber nicht nur andere. Tilda weiß ganz genau, weshalb sie das tut, wofür sie sich entschieden hat und bis wann. Nämlich so lange bis Ida trotz ihres Alters erwachsen ist und für sich und ihre Mutter sorgen kann.
Das Romandebüt von Caroline Wahl ist eine wunderbare Erzählung, die von Anfang an berührt und einen für die beiden Mädchen einnimmt, was nicht zuletzt durch die Ich-Erzählperspektive leicht fällt.
Caroline Wahl: 22 Bahnen, Dumont, 22 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.
2 Kommentare