Berni Mayer: Das vorläufige Ende der Zeit

Es gibt besondere Orte. Aber es sind keine Orte mit einer schönen Aussicht oder einem Café mit selbstgemachten Kuchen. Diese Orte sind deshalb so besonders, weil man an ihnen in die Vergangenheit reisen kann. Einen davon hat Horatio Beeltz auf dem jüdischen Friedhof Slubice entdeckt. Ein Friedhof, der zu Frankfurt an der Oder gehört, aber auf polnischem Staatsgebiet liegt.

„Die Zeit ist keine glatte Fläche, sie ist eher wie eine Jalousie. In der Regel ist sie zugezogen, aber an manchen Stellen im Universum ist sie permeabel.“

 Horatio Beeltz ist ein Verleger, der wie aus der Zeit gefallen scheint. Er trifft auf Mi-Ra, die für eine historische Zeitschrift einen Artikel über diesen Friedhof schreiben soll und auf den Friedhofswächter Artur, der den Tod seiner kleinen Tochter nicht überwunden hat und nicht weiß, ob und wie er seine Ehe retten kann. Mi-Ras Ehe ist gescheitert und sie verurteilt sich selbst dafür, dass sie ihren Sohn oft für längere Zeit bei ihrem Ex lässt und er ihr immer fremder wird.

„Da ist etwas. (…) Nicht mehr als ein kaum sichtbarer Lichtfaden, als hätte man zu lange in die Sonne geschaut. Und da ist ein Geruch. (..) Der typische Geruch einer temporalen Fraktur.“

Was also wäre, wenn man in die Vergangenheit reisen und seine eigenen Fehler korrigieren könnte?  Eine Gelegenheit dazu bietet sich mit einem Riss, der wie ein Lichtfaden die Stelle auf dem Friedhof markiert, an dem Zeitreisen möglich sind.

Berni Mayer greift in „Das vorläufige Ende der Zeit“ das Motiv der Zeitreise auf, das alles andere als neu oder ungewöhnlich ist und das nicht zuletzt durch Science-Fiction-Filme oder -Serien populär wurde.

„(Horatio Beeltz) Er will es nicht ganz glauben, doch all die Indizien sind vorhanden – es ist ein Riss. Was soll es sonst sein?“

Mich hat der Zeitriss, so wie er hier beschrieben wird, an die Steine in der Serie „Outlander“ erinnert (die auf den Romanen von Diana Gabaldon basieren), die gleichsam die Tore in die Vergangenheit markieren. Auch dort nehmen die Charaktere, die fürs Zeitreisen geeignet sind, eine Art Surren wahr. Dieses surreale Element der Zeitreise und ihrer einhergehenden Phänomene wie dem Lichtfaden oder dem speziellen Geruch trifft hier auf unsere Gegenwart. Das macht Berni Mayers Geschichte mit ihren überaus interessanten, zum Teil skurrilen Figuren so lesenswert.

Wer etwa der legendären BBC-Serie „Doctor Who“ oder „Outlander“ (unter anderem bei Netflix) verfallen ist und  mit Matt HaigWie man die Zeit anhält“ ein paar schöne Lesestunden verbracht hat, dem sei „Das vorläufige Ende der Zeit“ empfohlen.

Berni Mayer: Das vorläufige Ende der Zeit, Dumont, 24 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.

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