Marie ist anders als die Inselbewohner, die ihr ganzen Leben hier im Norden verbringen. Die junge Frau ist nicht nur unabhängig und selbstbewusst; sie zieht freiwillig hierher, in ein altes, baufälliges Haus, um Meerjungfrauen-Fischflossen zu schneidern.
„Ich war ein Inselgewächs, wie die anderen auch.“
Vida ist von Anfang an fasziniert von Marie, die gleichsam die große, weite Welt auf diese Insel bringt, auf der Vida schon immer gelebt hat. Ihr Leben scheint sich auch in Zukunft in überschaubaren Bahnen zu bewegen, schließlich hilft Vida im Laden der Eltern mit und wird Jannis, den sie schon immer kennt, heiraten.
„Es ist dir nie aufgefallen (…) dass das Licht auf dieser Insel besonderer ist als anderswo?“
Doch dann kommt Zander, Vidas älterer Bruder, nach Jahren zurück auf die Insel, auf der er anscheinend wieder Fuß fassen will. Seine Anwesenheit verändert nicht nur das Verhältnis zwischen Vida und ihren Eltern, sondern auch die Freundschaft zwischen Marie und Vida, von der sich zumindest letztere wünscht, sie wäre mehr. Oder liegt es einfach daran, dass Marie eine Veränderung mit sich bringt, von der die bodenständige Vida nicht geahnt hat, dass sie sie brauchen würde?
„Nichts hatte sich geändert, bloß ich.“
Alexandra Blöchl legt mit „Was das Meer verspricht“ einen Roman vor, der von der ersten Seite an fasziniert und den man am liebsten nicht mehr aus der Hand legen möchte. Zwar ahnt man ab einem gewissen Lesefortschritt, was passieren könnte oder malt sich verschiedene Entwicklungen aus. Das mindert aber die Spannung überhaupt nicht, zumal Unvorhergesehenes passiert. Die Sogwirkung dieses Romans, den die Autorin anders als bei vorherigen Werken, unter ihrem Namen veröffentlicht, ist mindestens so anziehend wie das Geräusch der Wellen, die ans Ufer schlagen. Eine wunderbare Neuentdeckung und eine absolute Leseempfehlung.
Alexandra Blöchl: Was das Meer verspricht, dtv, 22 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.