Alex Capus: Susanne

“Based on a true story” würde das Publikum bei einem ähnlichen Film im Vorspann lesen, denn Alex Capus legt seinem Roman “Susanna” die Lebensgeschichte von Susanna Carolina Faesch zu Grunde, hält sich aber nicht detailgenau an diese. Schließlich haben wir es mit einem Roman und keiner Biografie zu tun.

Susanna ist – und das wird schon auf den ersten Seiten deutlich – ein selbstbewusstes Mädchen, das nicht nur eine eigene Meinung hat, sondern auch so gar nicht in die Konventionen passen will, die die Basler Gesellschaft in der Mitte des 19. Jahrhunderts für Frauen bereithält.

„Maria kannte seine endlosen Monologe. Sie kannte sie alle. Ihre Rache bestand darin, dass sie ihm nicht mehr zuhörte.“

Und so wehrt sie sich nicht nur gegen den “Wilden Mann“, der einem Brauch zufolge vor allem Kinder erschrecken soll. Susanna wächst mit drei Brüdern auf und wird früh für ihre Mutter Maria zu einer Verbündeten in der Überzeugung, dass das Leben für sie mehr bereithält als die Enge dieser schweizerischen Gesellschaft. Konsequent nimmt Maria auch nur ihre Tochter mit, als sie Mann und Söhne verlässt und nach Amerika auswandert.
In Brooklyn macht Susanna aus ihrer Leidenschaft einen Beruf: sie malt Porträts anhand von Fotografien und verdient gut damit. Als ihr zum ersten Mal Indianer begegnen, ist sie sofort fasziniert und will unbedingt in den Wilden Westen reisen.

“Es war eine Reise ohne Wiederkehr geworden.”

Alex Capus legt mit “Susanna” ein spannendes und faszinierendes Porträt von Carolina Faesch vor, die sich später Caroline Weldon nannte. Anders als so manch andere Romane, die sich mit emanzipierten Frauen beschäftigen, die auf die ein oder andere Art ihrer jeweiligen Zeit voraus waren, ist “Susanna” geprägt von einer optimistischen und gleichzeitig selbstverständlichen Grundhaltung.

Die Frauen, allen voran Susanna und ihre Mutter Maria, treffen ihre Entscheidungen nicht, weil sie bettelarm sind oder unterdrückt werden. Sie möchten ihr Leben ändern, weil sie sich darin nicht mehr wohlfühlen und sie tun dies konsequent und frei von Bedenken. Dass man diesen Frauen und natürlich Susanna, von Anfang an zugetan ist und ihren Lebensweg unbedingt weiter lesend verfolgen will, liegt am wunderbaren Erzählstil von Alex Capus, der seine Figuren mit viel Lebensklugheit, feinem, aber nie übertriebenem Humor begleitet und sie wie selbstverständlich vor der historisch verbrieften Kulisse New Yorks, in dem die Brooklyn Bridge gerade gebaut wird, zeichnet. Das ist nie langweilig und bis zur letzten Seite spannend.

Alex Capus: Susanna, dtv, 14 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.

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