Bei manchen Büchern fragt man sich, weshalb man von ihren Autoren noch nichts gehört, geschweige denn etwas gelesen hat. Der Sammelband „England und andere Stories“, der jetzt im dtv auf Deutsch vorliegt, ist so ein Buch, denn der englische Autor Graham Swift schafft es auf wenigen Seiten eine ganze Welt zu entfalten. Eine Welt, die zwar eine englische, aber dennoch eine universale ist.
„Jetzt waren sie verheiratet, und man hatte ihnen gesagt,
sie sollten ihr Testament machen.“
Eine Welt, die unser Alltag ist und deshalb gleichzeitig in dieser ganz eigenen Vertrautheit so faszinierend daherkommt, ohne banal und langweilig zu sein. Freilich kann das nur ein Schriftsteller leisten, der alltägliche, kurze Szenen als Ausgangspunkt eines menschlichen Schicksals nimmt: Da ist der Mann von der Küstenwache, der auf dem Weg zur Arbeit an einem Pannen-Auto vorbeikommt und dessen Fahrer mit unterschiedlichen Stimmen zu sprechen scheint. Oder die beiden Frauen Holly und Polly, die sich bei der Arbeit als Embryologinnen kennen- und lieben lernen. Sie sind beide ausgebildet für eine Arbeit, „von der manche sagen, man spiele Gott“.
„Wir sind nicht Gott. Es ist auch kein Spiel.
Obwohl wir manchmal lachen müssen.“
Jede Geschichte hat ihre eigenen Charaktere, die sich in ihrer eigenen kleinen Welt bewegen. Klein deswegen, weil es „nur“ 25 Erzählungen sind, die in dem Band versammelt sind und man von so mancher Geschichte gerne mehr gelesen hätte. Das ist aber auch der einzige Mangel, denn Graham Swift ist ein meisterhafter Erzähler (ebenso meisterhaft übersetzt von Susanne Höbel), dessen Stil an den von Ian McEwan erinnert.
Graham Swift: England und andere Stories, dtv, 21,90 Euro
(Das Buch wurde mir freundlicherweise von dtv zur Verfügung gestellt.)
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