Ray Bradbury: Fahrenheit 451

Es ist eine absurde Welt, in die „Fahrenheit 451“ den Leser mitnimmt: Menschen sollen sich nicht unterhalten, nicht spazieren gehen und vor allem keine Bücher lesen. Damit das so bleibt, haben sie unablässig summende „elektronische Bienen“ im Ohr und lassen sich von Fernsehwänden unterhalten, in denen sie sich völlig verlieren. Und es gibt Feuermänner wie Guy Montag, die gewissenhaft Bücher verbrennen und wenn es nötig ist, ganze Häuser und deren Bewohner – und die sich nichts Schöneres vorstellen können, als das Feuer dabei zu beobachten, wie es seine Umgebung zerstört. Dann begegnet Montag auf dem nächtlichen Nachhauseweg der 17-jährigen Clarisse McClellan, die neue Nachbarin, die gern nachts spazieren geht und  alles in allem eine Außenseiterin ist, die sich nicht für die modernen Unterhaltungsmöglichkeiten interessiert. Zuhause findet er seine Frau Mildred, die nach einem Selbstmordversuch wiederbelebt werden muss. Ganz allmählich kommen Montag Zweifel an seiner Arbeit. War es nicht einmal so, dass die Feuermänner Brände gelöscht statt gelegt haben? Und was ist so gefährlich an Büchern?

„An Büchern muss etwas Besonderes sein, etwas, was wir uns nicht vorstellen können, um eine Frau dazu zu bringen, in einem brennenden Haus zu bleiben.“

Ray Bradburys Klassiker ist überraschend modern. Die Vorstellung von einer Welt, in der es eine Unterhaltungsdauerberieselung gibt, Menschen ständig miteinander in Kontakt sind und Informationen auf leicht konsumierbare Häppchen reduziert werden, war bei der Erstveröffentlichung (1953 in den USA, 1955 auf Deutsch) sicherlich wie ein Science-Fiction-Thriller. Heute liest sich der Roman wie eine Parabel auf die Moderne, in der uns künstliche Intelligenz scheinbar nur Gutes will, wir rund um die Uhr mit Menschen aus aller Welt chatten, im Videocall gemeinsam Kaffee trinken, Serien bei Netflix konsumieren und unsere Lieblingsmusik immer im Ohr haben können. Informationen und Unterhaltung sind immer nur einen Mausklick entfernt, doch wir müssen selbst herausfinden, ob sie richtig sind oder zu vereinfachend.

„Früher einmal! Was ist das denn für ein Gerede?“

Dass „Fahrenheit 451“ (der Titel bezieht sich auf die Temperatur, bei der Bücher verbrennen) jetzt in einer Neuübersetzung vorliegt, macht das Wiederlesen zu einer Neuentdeckung,  gerade, wenn man die aktuelle Ausgabe mit der Übersetzung von 1996 und einer Übersetzung von 2008 (beide von Fritz Güttinger) vergleicht, die auch im Diogenes-Verlag erschienen sind. Nicht, dass die älteren Übersetzungen falsch wären; sie wirken im direkten Vergleich mit der aktuellen betulich und es scheint, als würde die Handlung dem erwachsenen Leser wie einem kleinen Kind präsentiert. Peter Torbergs Neuübersetzung befreit Ray Bradburys Werk vom Staub der Jahrzehnte und gibt ihm eine Eigenständigkeit, die sich selbst genügt. Wer auf der Suche nach der Lektüre eines Klassikers ist, sollte „Fahrenheit 451“ eine Chance geben.

Ray Bradbury: Fahrenheit 451. Diogenes, 24 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.

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