Mariana Leky: Was man von hier aus sehen kann

Ein Okapi ist so ziemlich das letzte Tier, das einem in den Sinn kommt, wenn man an Träume denkt. Doch Selma, eine alte Westerwälderin, träumt immer dann von einem Okapi, wenn im kleinen Dorf in der Provinz jemand stirbt. Allerdings kann sie nicht vorhersagen, wer das sein wird. Aus dieser Ausgangslage heraus entwickelt sich die Geschichte um die Hauptfiguren Selma, Martin, den Optiker, Palm und Luise. Die Ich-Erzählerin ist zu Beginn der Geschichte zehn Jahre alt und wächst bei ihrer Oma Selma auf, weil ihre Mutter, eine Blumenhändlerin, viel zu sehr mit Gestecken und Kränzen für alle möglichen Anlässe und mit ihrem Liebhaber beschäftigt ist, als dass sie noch Zeit für ihre Tochter haben könnte.

„Der Tod trat etwas verspätet ein. Und das buchstäblich.
Er kam durch die Tür.“

Das namenlose Dorf im Westerwald mit seinen Bewohnern ist wie ein Refugium, das scheinbar abgeschottet von der Außenwelt existiert und das die Einheimischen nur verlassen, wenn es unbedingt nötig ist. Und auch dann fahren sie nur in die Kreisstadt, die gleichsam für die große weite Welt steht. Lediglich Luises Vater macht sich irgendwann im Verlauf der Geschichte auf eine schier unendliche Reise, um wie es heißt, „mehr Welt hereinzulassen“. Und Luise arbeitet später zwar als Buchhändlerin in der Kreisstadt, bleibt aber im Dorf fest verwurzelt.

„Bevor man starb, fanden sie, sollte man wenigstens auf den letzten Drücker Wahrhaftigkeit ins Leben bringen.“

Mariana Lekys Roman „Was man von hier aus sehen kann“ ist eines dieser Bücher, das im PR-Sprech sicherlich als „Wohlfühlbuch“ angepriesen wird, denn die Handlung plätschert eher gemächlich dahin als dass man beim Lesen ob der Spannung den Atem anhalten müsste. Doch es gibt immer wieder überraschende Wendungen in der Handlung, die hin und wieder ins Magische kippt. Der Reiz der Geschichte entsteht nicht zuletzt durch die wunderbare Sprache, die voller Überraschungen ist und in der Begriffe wie „Aufhocker“ oder „Verstockung“ buchstäblich lebendig werden.

Alles in allem ist „Was man von hier aus sehen kann“ herrlich skurril, entwaffnend ehrlich, tieftraurig, aber auch so komisch, dass man beim Hören immer wieder unwillkürlich lachen muss. Das Hörbuch von Sandra Hüller gehört zu den besten, die ich bisher gehört habe und ist unbedingt empfehlenswert.

Mariana Leky: Was man von hier aus sehen kann, Dumont, ab 24 Euro,
Hörbuch gelesen von Sandra Hüller bei Audible. Das Audible-Abo bezahle ich selbst.

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