Na endlich wird sich so manche Leserin (und vielleicht auch so mancher Leser) gedacht haben, als „Wilde Jahre“, die Fortsetzung von „Leuchtende Tage„, erschienen ist.
Wieder nimmt uns Astrid Ruppert mit zu den Winterfrauen, wie sich Lisette, Charlotte, Paula und Maya selbst nennen. Und so begegnen wir Paula, die sich zusammen mit ihrer kleinen Tochter Maya, die 1949 als der Roman beginnt, noch ein Baby ist. Paula beschließt, in ihrem Leben noch einmal anzufangen, wohl wissend, dass sie sich in Lerchenrod, dem kleinen Dorf, in dem sie aufgewachsen ist, niemals wohlfühlen wird. Schon als Kind und Jugendliche hat sie sich dort eingesperrt gefühlt in dieser bäuerlichen kleinen Welt, in der das Leben seit Generationen einem festen Rhythmus folgt und an dem sich auch für die nachfolgenden Generationen nichts ändern wird.
„Fünfzig Kilometer weiter haben die jungen Frauen Petticoats getragen Rock’n’Roll getanzt und sich Hochfrisuren gemacht, und in Lerchenrod wurden die Frauen schon angestarrt, wenn sie die langen traditionellen Wollröcke ausgezogen haben.“
Doch Paula will mehr, sie will singen und sich für ihre Leidenschaft nicht rechtfertigen müssen, weil Musik in den Augen ihrer Eltern und der der Dorfbewohner etwas ist, das nicht gebraucht wird. Paula gelingt es, sich aus der Enge des Dorfes zu befreien und ihrer großen Liebe nach London zu folgen. Dem London, das in den 1960er und 1970er Jahren mit Schlaghosen, Miniröcken und der Musik der Beatles, der Rolling Stones oder The Who zum Inbegriff einer Generation wurde, die sich nicht mehr anpassen wollte.
„In England sehen alle so aus.“
Im Jahr 2006 versucht Maya immer noch mehr über ihren Vater herauszufinden. Und weil sich ihre Mutter beharrlich ausschweigt, ist sie auf Hinweise von Charlotte, ihrer Großmutter, angewiesen – die führen sie schließlich auf den Spuren ihrer Mutter Paula nach England.
Wer gedacht hatte, dass die Geschichte, die in „Leuchtende Tage“ erzählt wird, nahtlos wieder aufgenommen wird, sieht sich enttäuscht. Während der erste Teil der Trilogie im Jahr 1935 endet, setzt „Wilde Jahre“ erst 1949 ein – und erzählt dann nicht chronologisch, also mit dem Leben von Charlotte, weiter, sondern mit dem ihrer Tochter Paula und ihrer Enkelin Maya. Hat man sich nach den ersten Seiten (und eventuell auch mit dem Wiederlesen der letzten Seiten im vorherigen Roman) erstmal orientiert, will man mehr wissen. Mehr von Paula, denn die lebt in einer Zeit, an die man zumindest vage Erinnerungen hat – und sei es nur aus historischen Bildern, Filmen oder eben Liedern.
Astrid Ruppert legt mit dem zweiten Teil ihrer geplanten Trilogie einen weiteren Roman vor, der so ist, wie gute Bücher sein sollten: kurzweilig, gefühlvoll, aber nicht kitschig und Lust machend auf den dritten Band, denn – soviel sei verraten – „Wilde Jahre“ endet mit einem Cliffhanger, der leider wohl erst in einem Jahr aufgelöst werden wird.
Astrid Ruppert: Wilde Jahre, dtv, 15,90 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.
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