Martin Mosebach: Taube und Wildente

Es ist ein heißer Sommer. Ein Sommer, den man am liebsten faul auf einem Liegestuhl im Schatten und im gepflegten Müßiggang verbringen möchte. So wie Marjorie, die mit ihrem zweiten Ehemann Ruprecht immer wieder das städtische Leben mit dem in der Provence tauscht. Ruprecht ist zwar Verleger, doch beide leben eigentlich vom Geld, das der Vater angehäuft hat. Wie sonst könnten sie sich eine Landsitz in einer so schönen Gegend leisten.

„Mein Vater suchte das einfache Leben. Er hatte das Schloß in der Nähe von Brüssel verkauft und sich ganz auf das Haus hier konzentriert.“

Zu ihnen gesellen sich Marjories Tochter Paula, die mit neuem Freund und der zehnjährigen Tochter Nike anreist, sowie die Verlagsangestellten Sieglinde Stiegle und Fritz Allmendinger. Jean-Pierre Schlesinger kommt regelmäßig zu Besuch. Paula hat ein Verhältnis mit Ruprecht, Marjorie eines mit dem Verwalter des Landguts, der wie alle Angestellten seit Jahrzehnten hier arbeitet. Es herrscht eine Atmosphäre, die geprägt ist von gegenseitigem Misstrauen – die beiden Verlagsangestellten wollen den Verlag übernehmen – und Dekadenz. Die Umgebung ist genauso lieblos und kalt wie die Figuren, die sie bevölkern und von denen keine sympathisch gezeichnet ist. Nicht umsonst zeigt das titelgebende Gemälde von Otto Scholderer „Tote Feldtaube und Wildente“ von 1884 zwei erlegte Tiere, die die Tragik der Handlung versinnbildlichen.

„Auf Bilder, die nicht aus dem zwanzigsten Jahrhundert stammten, sei man in diesem Haus gar nicht vorbereitet.“

Martin Mosebach legt mit dem jetzt bei dtv als Taschenbuch erschienenen Roman „Taube und Wildente“ ein Werk vor, das wie aus der Zeit gefallen zu sein scheint – passend dazu folgt der Roman auch der alten Rechtschreibung. Ein allwissender, gleichgültiger Erzähler regiert Figuren und Kulissen wie ein Regisseur Filmcrew, Schauspieler und Setting. Man fühlt sich beim Lesen der ruhig dahinplätschernden Handlung an Thomas Manns „Zauberberg“ oder die Serie „Downton Abbey“ erinnert, deren Charaktere in einer Umgebung existieren, die seltsam abgehoben von der realen Welt zu sein scheint. Lässt man sich darauf ein, betritt man eine Szenerie, die dem Leser gegenüber gleichgültig ist – ähnlich wie die Gemälde, die nicht auf bewundernde Betrachter angewiesen sind. Wer auf spannende Unterhaltung aus ist, der wird sich mit dieser Lektüre keinen Gefallen tun.

Martin Mosebach: Taube und Wildente, dtv, 14 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.

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