Foto: Petra Breunig

Angelesen: Patricia Highsmith: Ladies – Chris Kraus: Scherbentanz

Wer an Patricia Highsmith denkt, dem kommen zuerst Krimis in den Sinn, möglicherweise  “Zwei Fremde im Zug”, den Alfred Hitchcock 1951 verfilmt hat. Dass sich Patricia Highsmith auch anderen Themen auf brillante Art und Weise nähern konnte, bewies spätestens 2015 die Literaturverfilmung “Carol“, die eine lesbische Liebesbeziehung in den Mittelpunkt stellt. Das zugehörige Buch ist unter dem Titel “Salz und Preis” ebenfalls bei Diogenes erschienen.

Der neue vorliegend Band “Ladies” versammelt frühe Stories wie der Untertitel verrät, die so noch nie in Buchform erschienen sind. Eine gute Gelegenheit also, die Autorin von einer ganz anderen Seite kennenzulernen, denn in den mehr oder weniger langen Geschichten liegt unter der alltäglichen Ebene eine zweite, die ungewöhnlich, beunruhigend, ja zuweilen Angst einflößend ist. Da gibt es beispielsweise ein Kloster, das Mädchen aus der armen bäuerlichen Bevölkerung aufnimmt  – und ihnen nach und nach beibringt, dass es keine Männer gibt.

“Stattdessen lernten sie, dass das männliche Geschlecht ausgestorben war.”

Oder den Mann, der aus New York in eine kleine Stadt zieht, in der er sich von Anfang an wohlfühlt und wo er sich gerne mit dem Mädchen Freya auf Spaziergängen unterhält. Doch das kommt nicht bei allen gut an.
Patricias Highsmiths frühe Geschichten sind mindestens so beunruhigend wie der neue Roman von Chris Kraus.

In “Scherbentanz” (eine vollständig überarbeitete Neuauflage des ursprünglich 2003 erschienenen Romans) weigert sich Jesko gesellschaftliche Normen anzuerkennen und trägt gerne Röcke. Vielleicht, weil der Modedesigner Leukämie hat und deshalb meint, außerhalb von Konventionen leben zu können, vielleicht aber auch aufgrund furchtbarer Ereignisse in seiner Kindheit, für die seine Mutter verantwortlich ist. Eben diese Mutter ist geistig verwirrt, wird in der großbürgerlichen Familien-Villa wie eine Ware behandelt und kommt als Knochenmarkspenderin für Jesko in Frage.
Chris Kraus entwickelt eine makabere Geschichte, die nicht zuletzt von der knappen, schnodderigen Sprache und den schlaglichtartigen Szenen getragen wird.

Wer Unterhaltung jenseits der üblichen Themen sucht, sollte zumindest einem der Bücher eine Chance geben.

Patricia Highsmith: Ladies. Diogenes, 24 Euro.
Chris Kraus: Scherbentanz. Diogenes, 22 Euro.
Beide Bücher wurden mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.

 

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