Martina Behm: Hier draußen

Natürlich war das alles Blödsinn. Eine weiße Hirschkuh, die einem den Tod bringt, wenn man sie tötet. Bis zu einem Jahr danach, wie so ein uralter Fluch, an den die Menschen früher mal geglaubt hatten. Doch Ingo wird die Hirschkuh nicht los. Immer wieder muss er an das Tier denken, dass er nachts auf dem Nachhauseweg von seinem anstrengenden Job in einem Hamburger Start-up überfahren hat – und das anschließend erschossen werden musste.

„Also, wenn du so eine schießt, ’ne Weiße, dann, sagt man, bist auch du dran. Dauert bis zu ’nem Jahr.“

Auf dem Nachhauseweg ins kleine Dorf mit dem alten Bauernhof, ein Leben, dass sich seine Frau Lara nach einem Urlaub in Süddeutschland so sehr gewünscht hat. Weil Freunde in großen Häusern in kleinen Dörfern offenbar ihr Lebensglück gefunden haben. Vor drei Jahren dann hatten sie sich für Fehrdorf und den Resthof entschieden, in Pendelweite von Hamburg. Irgendwie hatte Ingo nach wie vor keine Lust, nach der anstrengenden Arbeit heimzufahren, vor allem nicht im Dunkeln.

„Lara hatte damals in der Stadt keine Ruhe mehr gefunden.“

Lara muss sich eingestehen, dass das Leben hier draußen nicht so idyllisch ist, wie sie sich das gedacht hat. Das die Arbeit von zuhause aus nicht so einfach und entspannt ist, schließlich muss sie sich um Haushalt und Kinder kümmern, weil Ingo nach Feierabend dazu keine Lust mehr hat. Und dann sind da noch die anderen im Dorf, die alle ihr eigenes Päckchen zu tragen haben. Uwe, der allein mit seiner Hündin Milla lebt und der in Ingo einen Freund sieht. Die Hippiefrau Jutta, die vor Jahren mit Armin hierher gezogen ist, um eine Kommune zu gründen. Die mustergültige Landfrau Tove, deren Ehemann Enno es am liebsten hat, wenn sich nichts ändert. Die Geschichte von der Hirschkuh beschäftigt die Alteingesessenen genauso wie die „Neuen“ und zwingt zu Entscheidungen.

„Den Wunsch, sich ein Idyll zu erschaffen und alles richtig und besser zu machen, und es dann doch nicht hinzubekommen.

Martina Behm legt mit „Hier draußen“ ihren ersten Roman vor, der weit von ländlichen Klischees entfernt ist. Unaufgeregt und detailreich lernt die Leserin die Menschen mit all ihren Facetten kennen und beginnt zu verstehen, warum sie so handeln wie sie handeln. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Welt der Bauern und die der Landwirtschaft eine anstrengende ist, in der die Arbeit nie aufhört. Dass sich die nächste Generation entweder ein anderes Auskommen außerhalb des Dorfes sucht oder den elterlichen Hof nach neuen Methoden bewirtschaften will, geht nicht immer ohne Streit ab.
„Hier draußen“ ist eine wunderbare Geschichte mit Figuren, über die man unbedingt mehr wissen will und das Buch am liebsten nicht weglegen möchte. Während Tommie Goerz mit „Im Schnee“ einen liebevollen Abgesang auf das dörfliche Leben in der fränkischen Provinz verfasst hat, zeigt Martina Behm in „Hier draußen“, dass sich das Dorfleben in Schleswig-Holstein nicht so sehr davon unterscheidet. „Es ist wie es ist“ könnte denn auch der Untertitel für beide Romane sein, vergessen wird man beide jedenfalls nicht so schnell.

Martina Behm: Hier draußen, dtv, 24 Euro.
Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.

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